Der Zukunft eine Stimme – der Jugendgemeinderat in Weingarten

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7.  März 1985 | Wer im oberschwäbischen Weingarten lebt, muss sich um die Zukunft der Demokratie weniger Sorgen machen. Dort wird die jeweils nächste Generation bereits seit über 30 Jahren aktiv an der Kommunalpolitik beteiligt. Erstmals in einer deutschen Gemeinde überhaupt wählten am 27. Februar 1985 rund 800 Schülerinnen und Schüler zwischen der 7. und 10. Klasse ihre Vertretung. Alles war wie bei den Erwachsenen: Verteilt auf vier thematische Wahllisten kandidierten 90 Jugendliche, die Stadtverwaltung stellte Wahlurnen und -kabinen auf und an jeder Schule wachte ein Wahlvorstand über den Ablauf. Nur die Wahlbeteiligung sah völlig anders aus: 92,8 % der wahlberechtigten Jugendlichen machten mit – die Erwachsenen konnten sich im Vergleich dazu nur schämen.

Des Volkes Stimme | Der Zukunft eine Stimme – der Jugendgemeinderat in Weingarten

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Auch die erste Sitzung des Jugendgemeinderats am 7. März war keine Show. Ab 9 Uhr tagte der 26-köpfige Rat im Großen Sitzungssaal unter der Leitung des Oberbürgermeisters Rolf Gerich und in Anwesenheit der Vorsitzenden der Gemeinderatsfraktionen sowie der städtischen Amtsleiter. Viele der behandelten Themen kamen den Gemeinderäten bekannt vor: Hallenbad, Müll, Radwege, Nahverkehr und Tempo 30 – nur alles aus der Sicht der Jugendlichen. Ein besonderes Jugendthema stand dann aber doch noch im Mittelpunkt: der schlechte Zustand des Jugendhauses. Nach den Sommerferien sollte in der nächsten Sitzung über Fortschritte berichtet werden.

Für Oberbürgermeister Rolf Gerich war die Sitzung ein großer Erfolg. Er wollte die Jugendlichen mit seiner Idee ausdrücklich in die Verantwortung für ihre Stadt nehmen und gleichzeitig der eigenen Verwaltung neue Impulse geben. Neun Jahre zuvor hatte er Jugendlichen bereits das Fragerecht bei Gemeinderatssitzungen gegeben. Das von den Vereinten Nationen für 1985 ausgerufene „Internationale Jahr der Jugend“ brachte ihn darauf, noch einen Schritt weiter zu gehen und den Rat ins Leben zu rufen.

Weingarten wurde so zum Vorbild. Inzwischen bestehen rund 100 Jugendgemeinderäte in Baden-Württemberg, deutlich mehr als in den anderen Bundesländern.


Zum Weiterlesen und -forschen:

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2 Antworten auf „Der Zukunft eine Stimme – der Jugendgemeinderat in Weingarten“

  1. Die Einrichtung der Jugendräte ist ein gutes Beispiel für die Weiterentwicklung unserer Demokratie. Seit 2014 sind Jugendliche ab 16 Jahren bei den Kommunalwahlen in Baden-Württemberg wahlberechtigt. Auch ein Beispiel für mehr Demokratie.
    Eine Demokratie ist nie fertig. Sie muss immer Antworten auf neue Entwicklungen finden und dabei Lösungen anbieten, die im Einklang mit den Grundrechten stehen.
    Auch wenn in Baden-Württemberg der ersten Jugendrat Deutschlands eingerichtet wurde, steht im kommunalen Bereich noch ein Schritt zu mehr Demokratie aus: Wahl der Landrätinnen und Landräte.

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