Bleibe stark! – die widerständige Beerdigung Ludwig Marums in Karlsruhe

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3. April 1934 | Möglichst ohne öffentliches Aufsehen wollte das NS-Regime den Leichnam Ludwig Marums im Karlsruher Krematorien verbrennen und unter die Erde bringen lassen. Lediglich eine randständige Notiz in der „Badischen Presse“ durften seine Ehefrau Johanna Marum und seine drei Kinder schalten – es war sogar untersagt worden, die Uhrzeit der Beerdigung anzugeben. Dass dennoch rund 3.000 KarlsruherInnen dem Verstorbenen die letzte Ehre erwiesen, war eine stumme Botschaft des Protests gegen die NS-Herrschaft. In Tüten versteckt wurden Blumen zum Grab gebracht, alles unter den fotografierenden Blicken der Politischen Polizei.

Ludwig Marum blieb entschiedener Gegner der Faschisten - mit allen Konsequenzen (Bildnachweis: Stadtarchiv Karlsruhe; Bearb.: HdG BW/Hemberger).
Ludwig Marum blieb entschiedener Gegner der Faschisten – mit allen Konsequenzen (Bildnachweis: Stadtarchiv Karlsruhe; Bearb.: HdG BW/Hemberger).

Ludwig Marum, geboren am 5. November 1882 als Sohn eines jüdischen Kaufmanns, schloss sich nach seinem erfolgreichen Jurastudium im Jahre 1904 der SPD an. Sein großes Engagement innerhalb der badischen Sozialdemokratie sowie als sozial denkender Rechtsanwalt ließen ihn 1914 in den badischen Landtag aufrücken. In der Weimarer Republik vertrat Marum wie die gesamte badische Sozial-demokratie gemäßigt-sozialistische Ansichten, getreu der Losung „Sozialismus auf evolutionären Wege, nicht auf revolutionären erreichen“.

Dem Reichstag gehörte der Karlsruher seit 1928 an und übernahm sogleich das Amt des rechtspolitischen Sprechers seiner Fraktion. Sein Status als Jude und Sozialdemokrat machten Marum in doppelter Hinsicht zur Zielscheibe völkisch-nationalistischer und anderer rechtsradikaler Köpfe und Parteien, allen voran der NSDAP. Seine klare Positionierung gegen den aufkommenden deutschen Faschismus vertrat Marum noch anlässlich der letzten halb-freien Reichstagswahl vom 5. März 1933 in einer Freiburger Wahlkampfrede, in welcher er die NSDAP als „Schutztruppe des Kapitalismus“ zu entlarven versuchte.

Die neuen braunen Machthaber ließen keine Zeit verstreichen, sich an ihren Widersachern zu rächen. Am 10. März 1933 wurde Ludwig Marum verhaftet und in „Schutzhaft“ verbracht. Nach zwei Monaten wurde er in einer öffentlichen Schaufahrt in das Konzentrationslager Kislau verlegt. Seine Tochter, Elisabeth Marum-Lunau, erinnert sich:

„Ich stand zitternd am Fenster. Der Vater, ganz hinten auf dem offenen Polizeilastwagen (…) sitzend, eingerahmt von SS-Männern, schaute herauf. Ich machte eine kleine, schüchternde Bewegung mit der Hand.“

Kurz darauf wurde ein Angestellter Marums verhaftet, als er sich den aufmerksam gewordenen SS-Männern entgegenwarf, um Marum-Lunau zu schützen.

Marums Briefe auf dem KZ zeugen von seinem großen Lebenswillen und seiner Sorge um die Familie, die durch die Schikanen der Behörden bedrängt wurde. Stark zu bleiben, empfahl er deshalb, als seine Frau Überlegungen äußerte, nach Marums etwaiger Freilassung nach Palästina auswandern zu wollen:

„Du weißt, daß ich meine jüdische Abstammung immer bekenne, daß ich den Zionismus und die Idee eines jüdischen Staates aber ablehne. (…) Irgendein Fleckchen Erde wird sich für uns schon finden.“ (Brief vom 04. Aug. 1933).

Jeder könnte es in der Zeitung lesen: Im Konzentrationslager war Ludwig Marum verstorben (Bildquelle: Badische Presse 1. April 1934, S. 20, Digitalisat: Badische Landesbibliothek).
Jeder konnte es in der Zeitung lesen: Im Konzentrationslager war Ludwig Marum verstorben (Bildquelle: Badische Presse, 1. April 1934, S. 20, Digitalisat: Badische Landesbibliothek).

In den wenigen Zeitungsmeldungen über Marums Tod in der Nacht vom 28. auf den 29. März 1934 wurde von einem Selbstmord des Sozialdemokraten gesprochen und dies mit einem „Anfall von Schwermut“ erklärt; erst nach 1945 wurden die damals bereits kursierenden Gerüchte von einem Mord der KZ-Aufseher an Marum bestätigt.

 


Zum Weiterlesen und -forschen:

  • Monika Pohl:  Ludwig Marum : Gegner des Nationalsozialismus; das Verfolgungsschicksal eines Sozialdemokraten jüdischer Herkunft (= Forschungen und Quellen zur Stadtgeschichte, Bd. 13), Karlsruhe 2013.
  • Friedrich Becker/u.a.: Ludwig Marum. Biographische Skizzen, Karlsruhe 1996 [enthält den Augenzeugenbericht Elisabeth Marum-Lunaus sowie die Briefe Ludwig Marums aus dem KZ Kislau].
  • Harald Denecken/u.a. (Hgg.): „…ihr dürft ihn nie vergessen!“ Der Ludwig-Marum-Preis 1988-1999, Karlsruhe 2000.
  • LEO BW: Biografie und Material zu Ludwig Marum.

/// Am 7. April decken wir das nächste Kalenderblatt auf. Vernunft besiegt den Wahnsinn.

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