Eine große Zeitung aus Freiburg – der „Freisinnige“ und die Pressefreiheit

Ein Kommentar

1. März 1832 | Wie lautete noch einmal die Erkenntnis unseres Beitrags vom 12. Februar? Ein gutes Gesetz allein genügt nicht! Das war exakt auch die Überzeugung der badischen Liberalen im Jahr 1831. Der Landtag in Karlsruhe hatte am 24. Dezember 1831 ein sensationell freizügiges Pressegesetz verabschiedet: Obwohl im Deutschen Bund die Vorzensur für alle Zeitungen und dünnere Bücher zwingend vorgeschrieben war, wagte es das Großherzogtum, einen anderen Weg einzuschlagen. Durch viel Geschick hatten die liberalen Anführer Carl von Rotteck und Carl Welcker ein Gesetz durchgesetzt, das anscheinend dem Vorgaben des Bundes entsprach, de facto aber das System der Vorzensur ins Leere laufen ließ: Kein Redakteur musste mehr seine Artikel einem Beamten zur Genehmigung vorlegen, stattdessen mussten sich die Schreiber künftig nur noch vor Gerichten für den Inhalt ihrer Blätter verantworten.

Ganz schön freisinnig: Carl von Rotteck (Bearb. HdGBW/Hemberger)
Ganz schön freisinnig: Carl von Rotteck (Bearb. HdGBW/Hemberger)

Noch während um das Gesetz gerungen wurde, entstand in Freiburg der Plan, die Probe auf das Exempel zu machen. Der Chemieprofessor Carl Fromherz schrieb seinem Professorenkollegen Rotteck am 11. November, in Freiburg solle unter dem Titel „Der Freisinnige“ eine neue Tageszeitung gegründet werden. Wenn Rotteck,  Welcker und einige andere Landtagshelden mitmachen würden, sei der Erfolg garantiert. Schließlich müsse das Gesetz zum Leben erweckt werden. Bei Rotteck fand Fromherz offene Ohren. Schon im Landtag war vor den „verdorbenen Studenten“ gewarnt worden, die das Gesetz missbrauchen könnten. Die Abgeordneten selbst würden die neue Freiheit gewissenhaft nutzen. Zumal sie dringend eine Zeitung benötigten. Ohne eigenes Sprachrohr blieben die Liberalen trotz ihrer momentanen Mehrheit im Landtag letztlich isoliert. Öffentlichkeit herstellen war das Gebot der Stunde.

"Preßfreiheit", ein hohes Gut. Bereits 1832 kosteten die Badener die Früchte dieses Grundrechts.
„Preßfreiheit“, ein hohes Gut. Bereits 1832 kosteten die Badener die Früchte dieses Grundrechts. Hier zu sehen: Das Titelblatt der Erstausgabe des „Freisinnigen“ (Bildnachweis: HdGBW).

Die Freiburger Bürgerschaft entwickelte das Modell für die neue Kommunikation: 28 Bürger – unter ihnen „eine Reihe der achtbarsten Männer der Stadt“ – zeichneten als Aktionäre mit jeweils 100 Gulden das Startkapital der Zeitung. Dies reichte aus, um am 1. März, dem Beginn der Pressefreiheit, die erste Ausgabe der Zeitung herauszugeben. Das Format der Zeitung war riesig und auch sonst waren die Professoren, die die Pariser Blätter als Vorbild nahmen, nicht bescheiden: „Der Freisinnige widmet seine Kräfte der großen Sache der Konstitution in ganz Deutschland.“ Mit Ausdauer umwarben Rotteck und Welcker die große „Edelfeder“ Ludwig Börne in Paris, allein dessen Honorarvorstellungen überstiegen das Freiburger Budget bei weitem.

Der Erfolg war zunächst beachtlich. Über 2.000 Abonnements sicherten das Überleben. Doch der Deutsche Bund war mehr als verärgert über die badische Eigenmächtigkeit und die ständigen Belehrungen aus Freiburg. Eine Untersuchung gegen den „Freisinnigen“ und die ebenfalls neue Mannheimer Zeitung „Der Wächter am Rhein“ kam zu einem wenig überraschenden Ergebnis:  Der „Freisinnige“ sei „gleich verderblich, aufrührerisch und beleidigend“ wie der „Wächter“, beide Zeitungen wurden verboten. Am 25. Juli 1832 erschien in Freiburg die letzte Ausgabe eines großen Projektes. Auch das Pressegesetz musste aufgehoben werden, am 30. Juli kehrte die Zensur zurück.


Zum Weiterlesen und -forschen:

  • Universitätsbibliothek Freiburg: Digitalisat „Der Freisinnige“
  • Rainer Schimpf: Der „Freisinnige“ und der Kampf der badischen Liberalen für die Pressefreiheit 1831/32, in: Helmut Reinalter (Hrsg.): Die Anfänge des Liberalismus und der Demokratie in Deutschland und Österreich 1830–1848/49, Frankfurt a. M. 2002, S. 157–190 [Digitalisat].

/// Und morgen fährt der Sturm in die Zeit, natürlich in Tübingen, wo sonst?

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