Kampf dem Preiswucher! (Teil 3) – der vergessene Generalstreik

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12. November 1948 | Es war alles ganz still. Die Straßenbahnen fuhren nicht. Die Kaufhäuser hatten geschlossen, und die meisten anderen Geschäfte waren auch zu.  Kundgebungen und Demonstrationsumzüge waren verboten, also blieben die Arbeiterinnen und Arbeiter einfach zuhause oder gingen in ihre Gärten. Die Kleingartenanlagen sollen von Weinheim bis Ulm bestens besucht gewesen sein an diesem Freitag. Der unverhofft freie Tag half, Sträucher und Beete winterfest zu machen, zumindest in der Bizone, der amerikanischen und britischen Besatzungszone. Die Gärtnerinnen und Gärtner in Südbaden, Hohenzollern und Südwürttemberg mussten noch einen Tag länger warten – die Franzosen hatten in ihrem Machtbereich jede Arbeitsniederlegung strikt untersagt.

Gewerkschaftsaufruf zum Generalstreik 1948 (Bildnachweis: Stadtarchiv Stuttgart, Bestand 9400 Nr. 915)
Gewerkschaftsaufruf zum Generalstreik 1948 (Bildnachweis: Stadtarchiv Stuttgart, Bestand 9400 Nr. 915)

„Arbeitsruhe“ war das schöne Wort der Stunde. Die Gewerkschaften scheuten den Begriff „Generalstreik“, obwohl es natürlich de facto nichts anderes war. 24 Stunden lang sollte nicht gearbeitet werden, um gegen die Preiserhöhungen und die stagnierenden Löhne zu protestieren. Eigentlich galt der Streik aber der Politik von Ludwig Erhard, dem neuen starken Mann für Wirtschaft in dem „Vereinigten Wirtschaftsgebiet“ der Bizone. Der „Sozialen Marktwirtschaft“, wie Erhards Wirtschaftspolitik später in der Bundesrepublik genannt werden sollte, wollten sie ein Modell der „Wirtschaftsdemokratie“ mit Mitbestimmung und Lenkung entgegensetzen. Aber der große Erfolg des Streiks – rund neun Millionen der insgesamt fast zwölf Millionen Beschäftigten nahmen offensichtlich teil – blieb ungenutzt: Erhard saß die Proteste einfach aus.

Der Streik wurde aber immerhin zu einem Lehrstück in Demokratie. SPD und KPD befürworteten die Aktion, während CDU und DVP erwartungsgemäß von einem „Missbrauch des Streikrechts“ (Wolfgang Haußmann) sprachen. Die amerikanische Militärregierung, die nach dem „Stuttgarter Tumult“ nervös war, lehnte den Streiktag zwar ab, erkannte aber „das Streikrecht als eines der Rechte der Freien Gewerkschaften an“ und verbot ihn ausdrücklich nicht.


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