Ein Lob auf die Provinz – die Revolution von 1848 in Sigmaringen

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26. September 1848 | Eine rote Fahne über Sigmaringen? Wer würde das Zeichen der Revolution an der oberen Donau vermuten? Sind Revolutionen nicht etwas für Großstädte? Und doch glückte den Hohenzollerinnen und -zollern am 26. September 1848 etwas, was in den Metropolen Berlin und Wien nicht gelang. Eine Volksversammlung setzte einen Sicherheitsausschuss ein, die Mitglieder des jüngst erst gegründeten Turnvereins holten sich Waffen. Den regierenden Fürsten Karl Anton packte so die Angst, dass er mitsamt seiner Regierung Reißaus nahm und an den Bodensee floh. Erst acht Monate später gelang den Badenern mit ihrem Großherzog dasselbe Kunststück. Ansonsten allerorten Fehlanzeige in deutschen Landen, die Fürsten blieben unbehelligt auf ihren Thronen. Wäre das Sigmaringer Vorbild doch nur öfter befolgt worden…

Geschenkt, dass Karl Anton am 10. Oktober im Geleitschutz von 2.000 bayerischen Soldaten in sein Schloss zurückkehrte. Ja, auch die Sigmaringer waren eher erschrocken über die Folgen ihres Mutes. Nicht mehr auszulöschen war aber, dass die Hohenzollern unmissverständlich die Forderung nach der „Freiheit des Volkes“ erhoben hatten.

Fahne der Sigmaringer Turngemeinde (Bildnachweis: Turnerbund 1848 e.V. Sigmaringen).

Karl Anton verstand diese Botschaft nur zu gut. Er zog die Konsequenzen und drängte den preußischen König dazu, seine Untertanen zu übernehmen, deren Geist er als „roh und hundsgemein“ einschätzte. Als Hohenzollern 1850 zu preußischem Staatsgebiet erklärt wurde, löste die neue Regierung in Sigmaringen sofort den rebellischen Turnverein auf und suchte dessen rote Fahne, die so augenfällig an den 26. September 1848 erinnerte. Doch die Turner versteckten sie als Rouleau getarnt in einer Werkstatt. Als der Verein 1862 wieder neu entstand, änderten sie auf der alten Fahne nur die Jahreszahl „1848“ in „1862“ um.

Im heutigen „Turnerbund 1848 e.V. Sigmaringen“ lebt bereits im Namen die Erinnerung an dieses demokratische Erbe fort. Und die Fahne ist ein großartiges Ausstellungsstück im Haus der Geschichte Baden-Württemberg.


Zum Weiterlesen und -forschen:

  • Maren Kuhn-Rehfus: Der Sigmaringer Turnverein und die Revolution von 1848, in: Hohenzollerische Heimat, Jg. 38 (1988), S. 41 – 44 [Digitalisat].

|||  Am 02. Oktober erscheint der nächste Eintrag. Es geht ins Grüne!

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