Ein neuer Geist blüht – Die Naturfreunde Württemberg denken Mensch und Umwelt zusammen

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11. September 1948 | Es sieht so aus, als ob uns und unseren Planeten nur noch SchülerInnen retten können, die am Freitag statt in die Schule auf die Straße gehen. Die Umweltbewegung „Fridays for Future“ ist auch im Südwesten unterwegs, um die Erwachsenen zum echten Umdenken in Sachen Klimaschutz zu bewegen. Vor über 100 Jahren war der Klimawandel noch kein Thema, vielmehr gab es (junge) Menschen, die aktiv an einem Bewusstseinswandel arbeiteten. Die Wurzeln der Naturfreundebewegung liegen in der österreichischen Arbeiterbewegung, aus deren Reihen im Jahre 1895 die erste Ortsgruppe in Wien hervorging. Der Kampf um eine klassenlose Gesellschaft sollte mit der Suche nach den Schönheiten der Natur einhergehen: Erste Formen eines „grünen Tourismus“ wurden ausprobiert, es wurde gewandert und internationale Kontakte gepflegt.

Bereits im Jahre 1907 gründeten die „grünen Roten“ im südbadischen Konstanz die erste Ortsgruppe im Südwesten – die WürttembergerInnen zogen mit der Stuttgarter Ortsgruppe im Jahr 1910 nach. Parallel zur Waldheimbewegung, die ArbeiterInnen gesunde Freizeit- und Versammlungsorte im Grünen schaffen wollte, richteten die Naturfreunde bald ihre eigenen Wander- und Ferienheime ein, in denen Stadtkinder vom rauen Alltag abschalten konnten.

 

Die Naturfreunde waren keine weltfremden Blümchensammler, sondern verbanden ihre Liebe zur Natur mit einer klaren politischen Haltung: Nur in einer sozialistischen Gesellschaft könne die Trennung zwischen Stadt und Land aufgehoben werden und die Ausbeutung von Mensch und Natur endgültig beendet werden. Wenig verwunderlich, dass die Naturfreundebewegung durch das NS-Regime verboten wurde und sich Mitglieder dem aktiven Widerstand anschlossen (beispielsweise die Stuttgarterin Liselotte Hermann). Nach Jahren der Verfolgung wurden die Naturfreunde Württemberg am 24. März 1946 wiedergegründet.

„Lasst nicht verzagend die Zeit verrinnen, wir wollen wagend Neues beginnen“, lautete das Motto des ersten Jugendtags der Naturfreunde Württemberg am 11. und 12. September 1948 in Esslingen. Es sollte ein begeistertes Symbol werden, wie die Jugend sich vom Erbe der nationalsozialischen Erziehung mit ihrem Rassenhass und Kriegsdrill lossagte. Der Landesjugendleiter Karl Pfizenmaier fand eindringliche Worte:

„Die Opfer und Leiden, die der Faschismus gefordert hat, dürfen nicht umsonst gewesen sein. Ein neuer Geist, eine neue menschliche Haltung müsse werden (…). Grenzsteine können und dürfen keine Hemmsteine zur friedlichen und sozialen Entwicklung Europas und der Welt sein, soll die menschliche Gesellschaft nicht untergehen.“

Dass die Jugendlichen auf dem Esslinger Marktplatz sangen, tanzten und  fröhlich beisammen waren, erstaunte in Zeiten von allgemeiner Not und Währungsreform einige ältere Semester.

In den kommenden Jahrzehnten blieben die Naturfreunde ihren Idealen treu, engagierten sich gegen Flächenfraß und Großprojekte wie Stuttgart 21, in der Friedensbewegung und für eine weltoffene Gesellschaft, die Menschen miteinander und mit ihrer Umwelt in Einklang bringt.


Zum Weiterlesen und -forschen:

  • NaturFreunde Württemberg: Homepage.
  • NaturFreunde Baden: Homepage.
  • Touristenverein „Die Naturfreunde“, Bund für Touristik und Kultur, Landesverband Württemberg: Von der Idee zur Tat. Aus der Geschichte der Naturfreundebewegung, Heilbronn 1970.

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