Hand in Hand zum Frieden – die Rekord-Menschenkette der Friedensbewegung

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22. Oktober 1983 | Im Atomzeitalter schien selbst Gevatter Tod seine alte Sense zur Seite gelegt zu haben und auf Atomwaffen umgestiegen zu sein. Anfang der 1980er Jahre war der Rüstungswettlauf zwischen den NATO-Staaten im Westen und den Staaten des Warschauer Vertrages im Osten auf einem neuen Höhepunkt angelangt. Atomwaffen befanden sich bereits seit Längerem auch auf dem Gebiet der Bundesrepublik und der DDR. Aber jetzt sollten es noch mehr werden. Die Sowjetunion erneuerte ihre veralteten atomaren Mittelstreckenraketen durch die SS-20, die NATO sah darin eine zusätzliche Bedrohung und wollte mit den Waffensystemen Pershing II und Cruise Missiles nachziehen. Die Friedensbewegung in Westdeutschland blühte auf: Kirchen, Gewerkschaften, Ökogruppen, Jung und Alt fanden sich zu einer bunten Truppe zusammen, um ein Zeichen gegen die Nachrüstung zu setzen.

Des Volkes Stimme | Hand in Hand zum Frieden – die Rekord-Menschenkette der Friedensbewegung

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Im Oktober 1983 schwappte eine regelrechte Protestwelle durch den Südwesten. So verschrotteten beispielsweise über 600 Frauen in Freiburg symbolisch Raketenmodelle aus Pappmaché. Mehr als 1000 Personen, zumeist Jugendliche, besetzten in einem „Akt der aktiven Gewaltlosigkeit“ die Werkstore von „Litef“, einem Zulieferer für die großen Rüstungsbetriebe. Freiburger Schülerinnen und Schüler lösten große Diskussionen mit ihren Aufrufen in der Schulzeitung aus, für die Friedensproteste einfach mal zu schwänzen.

Höhepunkt der Demonstrationen war unzweifelhaft die Menschenkette  entlang der Bundestraße B10 zwischen Stuttgart und Neu-Ulm. Zwischen 200.000 und 400.000 Friedensbewegte standen Hand in Hand, sangen Lieder, zeigten Protestplakate. Kreativ, bunt und entschlossen war das Happening. Von überall her kamen sie. Auch 6.300 Menschen aus Südbaden reihten sich bei Plochingen ein, so friedlich, dass selbst ein mürrischer Wirt am Bahnhof nur halbherzig lästern konnte: „An Vogel habet se alle. Aber anständig waret se doch.“ (Badische Zeitung, 24. Oktober 1983).

Die Raketen kamen trotzdem.


Zum Weiterlesen und -forschen:

  • Sabrina Müller: Volksversammlung als symbol und Appell: Die Menschenkette von Stuttgart nach Neu-Ulm am 22. Oktober 1983, in: Reinhold Weber (Hg.): Aufbruch, Protest und Provokation. Die bewegten 70er- und 80er-Jahre in Baden-Württemberg, Darmstadt 2013, S. 119-140.
  • Der Bildkorrespondent Udo Leuschner hielt die Menschenkette in Fotos fest.

/// Am 24. Oktober erscheint ein neues Kalenderblatt. Die Zeichen stehen auf Sturm!

3 Antworten auf „Hand in Hand zum Frieden – die Rekord-Menschenkette der Friedensbewegung“

  1. Wäre es nicht langsam etwas Zeit, wenigstesn ein klein wenig 😉 kritischer über die West-Anti-Nachrüstungsdemos zu berichten. 2018 haben wir doch. Nicht nur die, inzwischen über MfS-Akten belegte, „Mitarbeit“ der SED- und Stasi“einflüsterer“ sollte endlich stärker beachtet werden. Auch die anti-westlich ausgerichtete Naivität, oder wollte es nicht besser wissen, der zumeist christlich und/oder linken Aktivisten der Friedensbewegung liess ja doch entscheidene Fakten der militärischen Strategie der Sowjetunion unberücksicht (Ihr Autor schreibt ja noch heute von Modernierung veralteter, sowjetischer Mittelstreckenraketen, hmm), obwohl man sie bereits damals hätte wissen können. Und das Bild von Ronald Reagan ist ja bis heute (hierzulande) ein sehr einfaches, bis hin zur falschen Karrikatur. Es muss ja nicht gleich am Mythos Friedensbewegung gekratzt werden, die tolle Menschenkette, den Teilnehmern wird es noch heute warm ums Herz. Die KGB- und Stasileute haben sicher Nächte lang gefeiert. Nur die Fakten, die in den letzten 30 Jahren durch Wissenschaft bekannt gemacht geworden sind, sollten einfliessen. Wäre toll.

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