„Neue Heimat“ – eine Siedlung für Heimatvertriebene in Hettingen

Ein Kommentar

17. Oktober 1948 | Wohin nur mit all den Vertriebenen und Geflüchteten?

Wohin mit den Millionen Menschen, die nach dem Krieg ihre Heimat verloren hatten?

Wohin allein mit den rund 19.000 Deutschen aus Mähren, Böhmen oder der Slowakei, die 1946 der Landkreis Buchen (der selbst gerade einmal 50.000 Einwohner zählte) aufnehmen sollte?

Einquartierungen, Notunterkünfte, Scheunen – das alles konnte auch im 1.500 Seelen großen Hettingen bei Buchen nur eine kurzfristige Antwort sein. Es musste gebaut werden. Kurzerhand packte der katholische Ortspfarrer Heinrich Magnani die Sache selber an. Ende 1945 gründete er die „Notgemeinschaft Hettingen“ und tauschte Kirchengrundstücke gegen Ackerland, um eine neue Siedlung bauen zu können. Aber kein Bauen ohne Architekt. Und Magnani hatte Glück. Der aus Berlin nach Buchen (wo sein Vater herstammte) geflohene großartige Egon Eiermann brannte darauf, das Projekt zu verwirklichen. Mit umfassenden Eigenleistungen und der tatkräftigen Mithilfe vieler ehrenamtlicher Freiwilliger entstanden 22 Wohneinheiten, die sich sehen lassen konnten: einfach, aber modern, für die Zukunft gebaut.

Was am 17. Oktober 1948 feierlich eingeweiht wurde, lässt sich in der Adolf-Kolping-Straße 29 in Hettingen heute wieder besichtigen. Die Wüstenrot Stiftung finanzierte im Rahmen ihres Denkmalprogramms die Instandsetzung eines Hauses und die Einrichtung einer Dauerausstellung über die Siedlung, das Haus der Geschichte Baden-Württemberg konzipierte und realisierte zusammen mit den Architektinnen von büroberlin die Ausstellung.


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Eine Antwort auf „„Neue Heimat“ – eine Siedlung für Heimatvertriebene in Hettingen“

  1. Vielen Dank für diese sehr interessante Information. Meine Mutter *1932 und meine Großmutter *1897 lebten einst in Brünn und sind als Flüchtlinge der Gemeinde Hainstadt (2 km von Buchen )zugewiesen worden. Beide erzählten immer, dass es immer wieder zu Anfeindungen durch die Ureinwohner von Hainstadt gekommen ist (Kartoffelkäfer u.a.). Viele ehemalige Flüchtlinge aus Brünn waren Hainstadt zugewiesen. Die „Brünner“ trafen sich regelmäßig und pflegten eine sehr nette Geselligkeit. Die sehr freundliche und auch weltstädtische Art dieser Menschen öffnete schnell die Herzen und auch Türen der Ureinwohner in Hainstadt und im Landkreis Buchen. Es gelang in relativ kurzer Zeit, die Neubürger zu integrieren.
    19000 Flüchtlinge in einem Landkreis mit 50000 Einwohnern. Dies erklärt die anfängliche Wut und Verzweiflung der Ureinwohner. Tief beeindruckt bin ich davon, dass alle nach der anfängliche Schockstarre es meisterten (s. Hettingen), den Neubürgern ein neue Heimat zu schaffen. Schade, dass es nicht noch mehr Projekte zur Integration wie in Hettingen gab. Vielen Dank für diese Information, die nun die erste Zeit meiner mütterlichen Vorfahren in Hainstadt in einem anderen Licht erscheinen lassen.

    Ich wurde in Hainstadt geboren und lebe nun in Mittelhessen. Leider leben meine Mutter und meine Großmütter nicht mehr, die ich weiter befragen könnte.

    Markus Hemberger

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