Exil im Südwesten – die Reichsregierung flieht vor dem Kapp-Putsch

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16. März 1920 | Alle sollten es sehen: „Wir stehen auf dem Boden der von uns beschworenen Reichsverfassung.“ So prangte es auf zahlreichen Plakaten, die ab dem 13. März 1920 in Württemberg aufgehängt wurden. Unterzeichnet hatten der württembergische Staatspräsident Wilhelm Blos und der für Württemberg zuständige Reichswehrgeneral Walter von Bergmann.  Ein völkisch-reaktionärer Putschversuch gegen die Demokratie nötigte zu dieser grundsätzlichen Aussage: In Berlin hatten am 13. März Freikorps, Soldaten und rechtsradikale Konservative entscheidende Teile der Reichshauptstadt besetzt. Die Aufrührer unter Führung des ostpreußischen Generallandschaftsdirektors Wolfgang Kapp und des Oberbefehlshabers in den Marken (Berlin-Brandenburg) Walther von Lüttwitz erklärten die Deutsche Nationalversammlung für aufgelöst und die gewählte Regierung für absetzt. Reichspräsident Friedrich Ebert, Reichskanzler Gustav Bauer und der Großteil seiner Minister flohen daraufhin über Dresden nach Stuttgart. Reichsinnenminister Erich Koch-Weser war ebenfalls im Zug und notierte in seinen Reiseaufzeichnungen über die Hoffnungen zahlreicher rechter Republikfeinde:

„Das südlichste Kap Afrikas nannten die Schiffer, solange sie es nicht umsegeln konnten, das Kap der Stürme und als es gelungen war, das Kap der guten Hoffnung – Bei uns kommt hinter einem Kapp der guten Hoffnung, ein Kapp der Stürme“

Deutscher Reichstag im Exil: Tagung im Stuttgarter Kunstbau während des Kapp-Lüttwitz-Putsches (Bildnachweis: #####).
Deutscher Reichstag im Exil: Tagung im Stuttgarter Kunstbau während des Kapp-Lüttwitz-Putsches (Bildnachweis: Hauptstaatsarchiv Stuttgart, HStA Q 1-2 Bü 43 Bild 94).

Der deutsche Südwesten war nicht windstill, aber deutlich weniger sturmumtost als andere Regionen. Hier vertraute die gewählte Regierung auf den Rückhalt bei Politikern, Bevölkerung und Sicherheitskräften und trat am 15. März zu einer Kabinettssitzung zusammen, um das weitere Vorgehen zu beraten. In den badischen und württembergischen Industriezentren bildeten sich Aktionsausschüsse sozialdemokratischer, kommunistischer und parteiloser ArbeiterInnen, die den Generalstreik regelten. Revolutionäre Betriebsräte und die Gewerkschaften waren ebenso widerständig. Zudem hatten ArbeiterInnen das Daimler Benz-Werk in Mannheim besetzt, um zu verhindern, dass produzierte Fahrzeuge den Putschisten in die Hände fielen.

Dass die Landesregierung und der oberste Soldat in Württemberg die Reichsregierung unterstützten würden, erfuhren alle Württembergerinnen und Württemberger durch Plakate und Zeitungssondermeldungen. Lange mussten Ebert und das Reichskabinett nicht in Stuttgart Zuflucht suchen. Der umfassende Widerstand ließ den Kapp-Lüttwitz-Putsch nach vier Tagen zusammenbrechen. Reichspräsident Ebert und Teile der Regierung blieben noch bis zum 20. März 1920 in Stuttgart. Dann kehrten sie nach Berlin zurück und zerstreuten damit aufkommende Gerüchte, dass das sichere Stuttgart nun dauerhaft Hauptstadt der Deutschen Reiches werden könnte.

(Gemeinsam verfasst mit Dr. Christopher Dowe).


Zum Weiterlesen und -forschen:

  • Hauptstaatsarchiv Stuttgart: Q 1/2 Bü 43 Nachlass Dr. Conrad Haussmann [enthält zahlreiche Unterlagen und Materialien zum Kapp-Putsch].
  • Wilhelm Blos: Der Kapp-Putsch, in: Paul Löbe (Hg.): Friedrich Ebert und seine Zeit. Ein Gedenkwerk über den ersten Präsidenten der deutschen Republik. Volksausgabe, Berlin 1926, S. 279-302 [Schilderung der Exilzeit des Parlaments in Stuttgart].
  • Unsere Sonderausstellung „Vertrauensfragen“ gewährt noch bis August 2019 erkenntnisreiche Einblicke in die Frühzeit der Weimarer Republik: Homepage der Ausstellung.

/// Am 19. März stellt sich die Frage: Republik oder nicht?

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