3. September 1979 | Der alltägliche Terror gegen Andersdenkende, die Überwachung und die Kontrolle der württembergischen Bevölkerung hatten zwischen 1933 und 1945 eine Adresse: das ehemalige „Hotel Silber“ in der Stuttgarter Dorotheenstraße. Das seit 1928 als Polizeipräsidium genutzte Gebäude war seit 1933 der alleinige Sitz der Politischen Polizei, die 1936 in Geheime Staatspolizei umbenannt wurde. Nach dem Krieg kehrte das Polizeipräsidium zurück, später zog die Kriminalpolizei ein, bis 1985 das Innenministerium das Gebäude übernahm.
Die NS-Geschichte des Ortes geriet in der Nachkriegszeit zunehmend in Vergessenheit. Aber nicht ganz: 40 Jahre nach Beginn des Zweiten Weltkriegs veranstalteten die Jungsozialisten (Jusos) Stuttgart gemeinsam mit der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten“ (VVN-BdA) eine Aktionswoche vom 3. bis 14. September 1979. Vor dem „Hotel Silber“ forderten die Aktivisten die Einrichtung einer „Gedenkstätte für die Opfer des Faschismus in Stuttgart“. Doch erst auf das nachdrückliche Betreiben einiger StuttgarterInnen um den Widerstandskämpfer Hans Gasparitsch wurde 1988 im Eingangsbereich des „Hotel Silber“ eine Gedenktafel angebracht.
Als im Jahre 2008 Pläne öffentlich wurden, das Gebäude abreißen zu lassen, regte sich Protest. Die „Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber e.V.“ gründete sich 2009 mit dem Ziel, den Abriss zu verhindern. 2011 beschloss die neue grün-rote Landesregierung den Erhalt des „Hotel Silber“. An dem einstigen Ort des NS-Terrors entstand als Bürgerbeteiligungsprojekt ein Ort des historisch-politischen Lernens und der Begegnung. Konzept und Inhalt hat das Haus der Geschichte Baden-Württemberg gemeinsam mit der „Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber e.V.“ erarbeitet. Die am 3. Dezember 2018 eröffnete Dauerausstellung beschäftigt sich mit Tätern, Täterinnen und den Opfern, mit der Institution Polizei und ihrer Rolle in drei politischen Systemen. Sie zeigt Kontinuitäten und Brüche in ihrem Umgang mit Minderheiten und in der Strafverfolgung, aber auch das Selbstverständnis der Polizisten in Demokratie und Diktatur.
Besonders junge Menschen können sich im Rahmen von Workshops die verschiedenen Facetten von Verfolgung und Verbrechen im Nationalsozialismus erschließen. Gedenken soll im „Hotel Silber“ kein theoretisches Thema bleiben, sondern praktisch gelebt und erlebt werden.
Zum Weiterlesen und -forschen:
- Haus der Geschichte Baden-Württemberg (Hrsg.): Hotel Silber. Eine Dauerausstellung zu Polizei und Verfolgung, Stuttgart 2021.
- Haus der Geschichte Baden-Württemberg: Gedenk- und Lernort Hotel Silber.
- Haus der Geschichte Baden-Württemberg: Virtueller Gedenkort Hotel Silber.
- Susanne Wein: Alles erforscht? Nationalsozialismus in Württemberg und Hohenzollern: Literaturbericht und Bibliografie, Norderstedt 2013.