Die kommunale Revolution – Ludwig Winter und die neue Gemeindeordnung

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17. Februar 1832 | Traum und Wirklichkeit. Die badischen Liberalen konnten davon ein Lied singen. Die Verfassung von 1818 war ja schön und gut, aber sie allein änderte noch nicht viel. Wo blieben die konkreten politischen Folgen? Den Liberalen wurde in den 1820er Jahren dies schmerzhaft vor Augen geführt. Das Großherzogtum erstarrte geradezu. Die beharrenden Kräfte drängten die Reformer in die Defensive, der mit großen Hoffnungen gewählte Landtag wurde kalt gestellt. Von Aufbruch keine Spur. Das durch die Verfassung gegebene Versprechen auf Teilhabe blieb Papier.

Noch ein badischer Reformer: Ludwig Georg Winter
Noch ein badischer Reformer: Ludwig Georg Winter. (Bildnachweis: Bildarchiv Österreich; Bearb.: HdG BW/Hemberger)

Der politische Frühling kam im Juli 1830. Eine neue Revolution in Frankreich versetzte auch Baden in Aufregung. Der erst seit März amtierende neue Großherzog Leopold stellte sich mehr oder weniger freiwillig an die Spitze einer Reformbewegung, um die Unruhe in den Griff zu bekommen. Die Berufung des 1778 in Elzach-Prechtal geborenen Ludwig Georg Winter zum Innenminister war ein klares Bekenntnis zu Veränderungen. Der liberal geprägte Beamte hatte für den ersten Landtag 1819 bereits den Entwurf einer neuen Gemeindeordnung erarbeitet. Nachdem Winter damals an den Kräften der Reaktion gescheitert und nach Freiburg strafversetzt worden war, wollte er nun dieses zentrales Thema einer  Bürgergesellschaft endlich verwirklichen. Zusammen mit dem frei gewählten und entsprechend stark liberal geprägten Landtag von 1831 machte er sich erneut ans Werk.

Das Resultat, das am 17. Februar 1832 im Großherzoglich Badischen Staats- und Regierungblatt erschien, war nicht weniger als ein staatlich verordneter Umsturz in den Gemeinden. Alle Bürgermeister und Gemeinderäte sollten zwischen dem 1. Juni 1832 und dem 31. März 1833 neu gewählt werden. Das Wahlrecht dafür war bemerkenswert: In geheimer Wahl bestimmten sämtliche Gemeindebürger direkt die Spitzenämter ihrer Gemeinde. Jede Stimme zählte gleich viel! Der ursprünglich vorgesehene Zensus, der die höher Besteuerten bevorzugt hätte, wurde vom Landtag erfolgreich abgewehrt. Die Ämter sollten nur noch auf sechs Jahre vergeben werden, von lebenslangen Ämtern konnte keine Rede mehr sein.

Das Wahlrecht ging einher mit einer gleichzeitig beschlossenen deutlichen Stärkung der Partizipation der Bevölkerung durch ein neues Bürgerrechtsgesetz: Die bisherigen Schutzbürger, die aufgrund ihrer meist schlechten ökonomischen Verhältnisse nur ein eingeschränktes Gemeindebürgerrecht besaßen, wurden zu gleichgestellten Gemeindebürgern. Mit einem Schlag erweiterte sich so die Bürgerschaft beträchtlich.

Der badische Frühling von 1830 fand zwei Jahre später durch einen von den konservativen Großmächten Preußen und Österreich herbeigeführten Kälteeinbruch sein trauriges Ende. Auch die badische Regierung kam ins Grübeln. Ludwig Georg Winter versuchte das Steuer wieder ein Stück in die konservative Richtung herumzureißen. Das kommunale Wahlrecht wurde eingeschränkt und mit Hürden versehen.  Aber die von ihr selbst eingeleitete Demokratisierung der Gemeinden konnte die Regierung nicht mehr völlig abwürgen – mit weitreichenden Folgen, wie sich 1848 zeigen sollte.


/// Gehen morgen die Lichter aus? Am 18. Februar folgt der nächste Kalendereintrag.

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