Unter Strom – Die „Eltern für atomfreie Zukunft“ werden aktiv

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19. Mai 1987 | Dass sich Eltern um ihre Kinder Sorgen machen, ist der Normalfall. Ob nun auf dem Fahrrad im Straßenverkehr, beim Klettern auf Bäumen oder beim Sport: Eltern sehen scheinbar instinktiv die Gefahren, die ihrem Nachwuchs drohen könnten. Unsichtbar, aber nicht weniger gefährlich war die Bedrohung, die nach dem verheerenden Unfall im Kernkraftwerk Tschernobyl im Jahre 1986 in Mitteleuropa viele Menschen beunruhigte. Auch im kleinen Ort Schönau im Schwarzwald lebten Eltern, die die Nachrichten über radioaktiven Regen und verstrahlte Lebensmittel mitbekamen. Der Schönauer Wolf Dieter Drescher erinnert sich:

Wer suchet, der findet: Mit einer Anzeige im örtlichen Heftli (hier eine Rekonstruktion) versammelte Familie Drescher gleichgesinnte Eltern aus Schönau (Bildnachweis: EWS).

„Nachdem dann eben auch die Situation entstanden ist, ‚Lasst eure Kinder nimmer im Sandkasten spielen!‘, da war klar: irgendetwas muss man eigentlich tun. Ich hab‘ die Anzeige im lokalen Anzeigeblatt geschaltet, zusammen mit meiner Frau unterschrieben, und war ehrlich gesagt sehr gespannt, was passiert.“

Dreschers Forsthaus wurde daraufhin zum Treffpunkt jener, die wie Ursula Sladek der Meinung waren, dass die Regierung und die Stromversorger die Risiken der Kernenergie unterschätzt hätten: „Wenn sich etwas ändern soll, müssen wir die Ärmel hochkrempeln und selbst was ändern!“, schildert die Schönauerin den Energieschub, der zur Gründung des Verein „Eltern für atomfreie Zukunft“ (EfAZ) am 19. Mai 1987 führte. Zunächst wollten sie die Bundesregierung dazu bewegen, das Energiewirtschaftsgesetz zu ändern, sodass einzelne Regionen aus dem Bezug von Atomstrom hätten aussteigen können.

Jung und alt aktiv gegen Atomenergie: Die „Eltern für atomfreie Zukunft“ zogen auch künstlerisch alle Register – hier eine „Delegation“ um Michael Sladek (Mitte) im fernen Hamburg (Bildnachweis: EWS).

Doch rasch kam Vereinsmitglied Michael Sladek zur Erkenntnis, dass die Bürgerinnen und Bürger die Energiewende von unten alleine stemmen mussten. Es war die Geburtsstunde einer „Rebellion“. Die EfAZ wurde kreativ: Bereits im November lud sie zum „Ersten Schönauer Energietag“ ein, der den Anstoß zum Start einer Stromsparkampagne im Folgejahr wurde. Sie gründeten die Theatergruppe „Wattkiller“, die mit einer gehörigen Portion Humor für das Thema Stromverbrauch, Stromsparen und alternative Formen der Energieerzeugung trommelten. Doch mit Sparen allein war der Kampf nicht zu gewinnen: Die Schönauer „Stromrebellen“ wollten aktiv in die umweltfreundliche Stromgewinnung einsteigen und betraten einen steinigen Weg, der schlussendlich zu der erfolgreichen Gründung der „Elektrizitätswerke Schönau“ (EWS) und der Übernahme des lokalen Stromnetzes führte.

Die „Eltern für atomfreie Zukunft“ unterstützen seit Anfang der 1990er Projekte, mit denen krebskranken Kindern und Jugendlichen, den späten Opfern der Tschernobyl-Katastrophe, in Kiewer Kliniken geholfen wird.


Zum Weiterlesen und -forschen:

  • Eltern für atomfreie Zukunft e.V.: Homepage.
  • Bernward Janzing: Störfall mit Charme. Die Schönauer Stromrebellen im Widerstand gegen die Atomkraft, Vöhrenbach 2008.
  • DVD: Die Schönauer Gefühl. Die Geschichte der Stromrebellen aus dem Schwarzwald. Eine Produktion des Fördervereins für umweltfreundliche Stromverteilung und Energieerzeugung Schönau im Schwarzwald e.V., Schönau 2007.

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