Schule, das sind doch wir! – SMV, SchülerInnen übernehmen Verantwortung

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20. Januar 1953 | „Wenn alles schläft und einer spricht, dann nennt man das wohl Unterricht!“ Sprüche wie dieser gehören seit SchülerInnen-Generationen zum bewährten Mittel, um Schulstunden zu überstehen, die wenig mitreißend sind. Dass nicht mehr nur eine/r redet, nämlich der/die LehrerIn, ist das Ziel moderner Unterrichtspädagogik. Mitdenken, mitreden, Verantwortung übernehmen wird immer selbstverständlicher. Und außerhalb des Klassenzimmers: Bestimmen dort nur die Lehrerschaft und die Schulleitung, wohin es gehen soll? Am 20. Januar 1953 wurde erstmals der  Schülermitverantwortungs (SMV)-Erlass in Baden-Württemberg veröffentlicht. Er ließ sich unmittelbar auf Artikel 21 der Landesverfassung zurückführen: „Die Jugend ist in den Schulen zu freien und verantwortungsfreudigen Bürgern zu erziehen und an der Gestaltung des Schullebens zu beteiligen.“ Statt Kadavergehorsam und Drill, wie es zwischen 1933 und 1945 an deutschen Schulen üblich war, sollte die neue Generation nun Demokratie auch im Kleinen einüben.

Zzzzzzzzz

Hey, aufgewacht! Die Geschichtsstunde ist für heute zu Ende. Hausaufgabe: Unseren Film anschauen und selber aktiv werden (Kleiner Trost für alle, die nicht mehr im SMV-Alter sind: Sie können ja mal ihre Kinder/Enkel fragen, ob sie wissen, dass SMV nicht nur ein Audioformat ist).

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/// Am 23. Januar kümmern wir uns um das liebe Federvieh, Piepmätze und Co.

Erste Wahl (Teil 1) – Maria Anna Beyerle und das Frauenwahlrecht

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5. Januar 1919 | Auch beim Frauenwahlrecht war Baden wieder ganz vorne. Na ja, fast. Wir wollen die Kleinen im Norden nicht völlig vergessen. Die beiden Freistaaten Mecklenburg-Strelitz und Braunschweig (die es wirklich gab!) ließen ihre Frauen bei den Wahlen am 15. und 22. Dezember 1918 noch einen Tick schneller mitmachen. In Baden wurde erst am 5. Januar 1919 die Badische Nationalversammlung gewählt, die dem Land nach der Novemberrevolution und der Abdankung des Großherzogs eine neue Verfassung geben sollte. Erstmals durften die Frauen auf Landesebene wählen. Als eines der ersten Ergebnisse der Revolution hatte in Berlin der Rat der Volksbeauftragten am 12. November 1918 das Frauenwahlrecht verfügt: „Alle Wahlen zu öffentlichen Körperschaften sind fortan nach dem gleichen, geheimen, direkten, allgemeinen Wahlrecht auf Grund des proportionalen Wahlsystem für alle mindestens 20 Jahre alten männlichen und weiblichen Personen zu vollziehen.“

In Baden machten die Frauen eifrig Gebrauch davon. Die hohe Gesamtwahlbeteiligung von 88 % der Wahlberechtigten verdankte sich wesentlich ihnen. Die Premiere des aktiven Wahlrechts gelang also eindrucksvoll – beim passiven Wahlrecht sah es hingegen schon damals nicht so gut aus. Von den 107 Abgeordneten waren gerade einmal neun weiblich. Die katholische Zentrumspartei und die Sozialdemokraten hatten jeweils vier Parlamentarierinnen in ihren Reihen, die liberale Deutsche Demokratische Partei (DDP), mit immerhin 22 % der Stimmen, entsandte nur eine einzige Frau.

Marianne Bayerle
Maria Anna Bayerle (Bildnachweis: Generallandesarchiv Karlsruhe 231 Nr. 2937 (833); bearb.: HdGBW)

Eine dieser Pionierinnen war Maria Anna Beyerle. Die 1882 in Konstanz geborene Lehrerin hatte sich führend bei karitativen Organisationen und beim Verein Katholischer Deutscher Lehrerinnen engagiert und dabei genügend Erfahrungen für eine politische Karriere gesammelt. Als Zentrums-Abgeordnete für den Wahlkreis Konstanz widmete sie sich in der verfassung-gebenden Versammlung und später im Badischen Landtag vor allem bildungs- und sozialpolitischen Themen. Sie schied 1928 aus dem Landtag, um höhere Funktionen an verschiedenen Schulen in Karlsruhe, Freiburg und Konstanz übernehmen zu können. Nach dem Zweiten Weltkrieg zählte sie in Konstanz zu den Gründungsmitgliedern der Badisch Christlich-Sozialen Volkspartei (BCSV), dem Vorläufer der CDU in Südbaden. Von 1947 bis 1952 gehörte sie dem Badischen Landtag in Freiburg an – als einzige Frau in ihrer Fraktion.


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Chemisch gereinigt – Menschenkette gegen die Rheinvergiftung

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14. Dezember 1986 | Wer an den Rhein denkt, dem kommen zunächst idyllische Bilder eines mächtigen Stromes in den Sinn, der sich zwischen Weinbergen und Fachwerkhäusern seinen Weg zur Nordsee bahnt. Doch bei genauerem Hinsehen zerschellen diese Vorstellungen an historischen Fakten wie die Schiffe jener Steuermänner, die der Sage nach dem Gesang der Loreley auf einem Felsen bei St. Goar lauschten.

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Am 1. November 1986 brannte eine Lagerhalle des Chemiekonzerns Sandoz bei Basel (Schweiz), in dessen Folge sich mit dem Löschwasser rund 30 Tonnen Chemikalien zur Behandlung von Pflanzen in den Fluss ergossen. Auf 400 Kilometern tötete der Chemiecocktail Fische und Wasserpflanzen, ganze Arten wie der Aal litten auf Jahre massiv.

„Die chemische Grundreinigung des Rheins löste heftige Reaktionen aus“, weiß Axel Mayer, Geschäftsführer des BUND Südlicher Oberrhein, zu berichten. Es hatten bereits grenzüberschreitende Umweltschutznetzwerke bestanden, die den Protest gegen den Bau von Atomkraftwerken Wyhl, in Frankreich sowie in der Schweiz organisierten. Diese konnten schnell aktiviert werden, so Mayer. Am 13. Dezember hielten die AktivistInnen ein Internationales Rhein-Tribunal im südbadischen Auggen ab. Am Tag darauf bildeten sich zwischen Basel und Freiburg Menschenketten. Kreative Aktionen wie ein Totenzug für den toten Rhein-Aal setzten öffentlichkeitswirksame Ausrufezeichen. „Ich war damals mit einer Protestgruppe unterwegs, die mit Kajaks auf dem Rhein fuhr und direkt auf die Folgen der Katastrophe hinwies“, erklärt Axel Mayer (so zu sehen in unserem Filmbeitrag).

Ein Ende der Rhein-Idylle hatte sich bereits vor 100 Jahren abgezeichnet: Der Aufbau großer Chemie- und Papierwerke ließ den um das Jahr 1900 noch fischreichen Fluss zu einer Kloake werden, in dessen Fluten nur noch Transportschiffe und hartgesottene Fischarten munter ihre Bahnen zogen. Schwermetalle und sonstige chemische Rückstände machten die Entnahme von Rheinwasser zur Trinkwasseraufbereitung nahezu unmöglich, was die Wasserwerke auf den Plan rief. Auf Druck einer wachsende Umwelt- und Anti-Atombewegung wurden Umweltprogramme und -gesetze aufgelegt. Der Bürgerverband Bürgerinitiativen Umweltschutz, 1972 gegründet, verknüpfte den ökologischen Widerstand entlang des Rheins.

Die Proteste zeigten Wirkung, der Rhein ist sauberer geworden. „Von den Millionen Lachsen wie vor 100 Jahren sind wir allerdings noch weit entfernt“, gibt Mayer jedoch zu bedenken.


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/// Miss Liberty im Ostalbkreis? Lesen Sie mehr hierzu am 18. Dezember.

Liebesheirat oder Zwangsehe? – eine Volksabstimmung bringt den Südweststaat

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9. Dezember 1951 | Mit erhobenen Zeigefinger mahnte vor über 200 Jahren der Württemberger Friedrich Schiller: „Drum prüfe, wer sich ewig bindet, ob sich das Herz zum Herzen findet!“ Ansonsten würden die Partner den Bund der Ehe auf unbestimmte Zeit bereuen. Was bereits bei zwei Menschen reichlich Konfliktpotential birgt und gut überlegt sein möchte, ist umso komplizierter, wenn ganze Regionen zusammengehen. Unser Bindestrich-Bundesland Baden-Württemberg ist das beste Beispiel hierfür.

Streithähne in Baden und Württemberg - Abstimmung über den Südweststaat 1951
Streithähne in Baden und Württemberg, vereinigt euch! – Plakat der Arbeitsgemeinschaft für die Vereinigung Baden-Württemberg

Nach 1945 zogen die alliierten Besatzungsmächte USA und Frankreich die Ländergrenzen neu, es entstanden Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern. Dabei spielten historisch gewachsene Räume und Beziehungen nur bedingt eine Rolle. Schnell flammten Rufe nach der Bildung eines Südweststaates auf. Starke Fürsprecher der Vereinigung waren die Regierungschefs Reinhold Maier (Württemberg-Baden) und Gebhard Müller (Württemberg-Hohenzollern), die dessen Umsetzung über einen Staatsvertrag anstrebten. „Nur das Volk kann entscheiden!“, hielt der badische Regierungschef Leo Wohleb entgegen und pochte zugleich auf die Selbstständigkeit eines wiedervereinten Badens. In einer rechtlich nicht bindenden Volksbefragung am 24. September 1950 spiegelte sich des Volkes Stimme durchwachsen wieder: Die Württemberger und Hohenzollern sprachen sich mit rund 90 % für den Südweststaat aus; die Nordbadener befürworteten ihn mit immerhin 57 %, während die Südbadener mit fast 60 % dagegen stimmten.

Auch auf Bundesebene wurde heftig diskutiert: Bundeskanzler Adenauer (CDU) fürchtete einen Machtverlust im Bundesrat, wenn die CDU-dominierten Länder Baden und Württemberg-Hohenzollern von der politischen Bühne verschwänden. Letztendlich fand die Idee einer Volksabstimmung in vier Abstimmungsbezirken eine Mehrheit, nicht ohne lebhaften Protest Leo Wohlebs, der die zähltechnische Spaltung Badens in Nord und Süd nicht hinnahm und das im Aufbau begriffene Bundesverfassungsgericht (BVerfG) anrief. Ohne Änderung wurde die Abstimmung auf den 9. Dezember 1951 festgelegt.

 

Das gesamte Jahr 1951 stand im Zeichen einer regelrechten Propagandaschlacht für und wider die Einrichtung des Südweststaates. Die „Arbeitsgemeinschaft der Badener“ warnte vor der „Vergewaltigung“ Badens und einer möglichen politischen und finanziellen Ungleichbehandlung durch die Württemberger. Romantische Heimatmotive wie die bollenhuttragende Dame auf Plakaten oder Leo Wohlebs Anrufung der freiheitlichen und demokratischen Vergangenheit Badens erweiterten die Argumentationspalette.

Die „Arbeitsgemeinschaft für die Vereinigung Baden-Württemberg“ fuhr mit Lautsprecherwagen über das Land und betonte in Broschüren die wirtschaftliche Stärke der Partner in spe. Die Vereinigung wurde sogar zum ersten Schritt zu einem vereinten Europa erklärt.

 

Rund 70 % aller teilnehmenden WählerInnen bzw. drei von vier Abstimmungsbezirke stimmten für den Südweststaat, lediglich in Südbaden lehnte man ihn mit rund 62 % ab. Eine solide Basis, die zur Gründung Baden-Württembergs am 25. April 1952 führte. Einen Rechtsbruch beklagten die Verfechter der badischen Unabhängigkeit, forderten eine erneute Volksabstimmung und bekamen Recht: Das BVerfG verfügte eine Neuauflage, deren Umsetzung allerdings bis 1970 auf sich warten ließ.


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/// Das nächste Kalenderblatt schlagen wir am 14. Dezember auf: Vater Rhein ringt nach Luft.

Mehr als nur Gedenken – die Synagoge in Wenkheim

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4. Dezember 1984 | Keine Angst, das nächste Frühjahr kommt bestimmt. Vielleicht sollten Sie schon jetzt dafür Pläne machen. Wie wäre es dann mit einem Ausflug nach Wenkheim? Nie gehört, werden Sie sagen. Wo ist das denn? Einfach auf der A81 in Richtung Norden fahren, die Ausfahrt Tauberbischofsheim nehmen, kurz vor der Stadt auf die L578 nach Großrinderfeld abbiegen und bald schon liegt das schöne Dorf mit seinen 600 Einwohnern vor Ihnen im Tal. Mitten im Ort liegt die alte Synagoge. Samstags und sonntags ist sie ab 14.30 Uhr geöffnet. Sonst bei den angegebenen Nummern anrufen, ein freundlicher Mensch wird kommen und Ihnen öffnen.

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Warum Wenkheim?

Weil Sie dort etwas finden, was diesem Land gut tut. Der Verein „Die schul. Gedenkstätte Synagoge Wenkheim“ erfüllt die Synagoge mit neuem Leben. Kinofilme, Musik und Lesungen bringen die Menschen aus der ganzen Region in diesem kleinen Ort zusammen. Die Geschichte ist nicht vergessen, das Leben und der Untergang der Landjudengemeinde werden in einer Ausstellung beleuchtet, aber stehen nicht für sich allein. „Rückwärtsgewandte Nabelschau“ und steriles Gedenken sind nicht die Sache des Vereins. Er belässt es nicht beim Schmerz und der Trauer über den Verlust, der natürlich nicht ausgeglichen werden kann. Die Mitglieder des Vereins wollen vielmehr zeigen, was jüdisches Leben in seiner ganzen Vielfalt heute bedeuten kann. Und zwar mit Freude und Spaß an den eigenen Entdeckungen!

Auch in Wenkheim musste dafür zunächst erst einmal die Synagoge „wieder-entdeckt“ werden. Pfarrer Hans-Jörg Ghiraldin stand Anfang der 1980er Jahre mit einer Gruppe vor dem Haus und mutmaßte: „Und das muss die Synagoge sein“. Damals lebte noch eine Frau im Gebäude, der Betsaal diente zum Abstellen von altem Gerät. Am 4. Dezember 1984 entstand der Vorläufer des heutigen Vereins: der „Verein zur Erforschung der jüdischen Geschichte und Pflege jüdischer Denkmäler im Tauberfränkischen Raum“, der die ganze Grundlagenarbeit leistete. Die Aufarbeitung der Geschichte ging einher mit der Restaurierung des Hauses zwischen 1990-1992. Erst dank dieser Arbeit können Sie heute wieder ein Kleinod besichtigen: Der 1840 gebaute Betsaal beeindruckt durch seine Harmonie und Würde.

Allein das ist schon eine Fahrt wert!


Zum Weiterlesen und -forschen:

  • Die schul. Gedenkstätte Synagoge Wenkheim im Internet.
  • Elmar Weiss: Zeugnisse jüdischer Existenz in Wenkheim, Wenkheim 1992.
  • Joachim Hahn/Jürgen Krüger: „Hier ist nichts anderes als Gottes Haus…“. Synagogen in Baden-Württemberg, 2 Bde., Hg. von Rüdiger Schmidt/Meier Schwarz, Stuttgart 2007.

/// Der nächste Eintrag erwartet Sie am 9. Dezember: Der Südwesten wächst zusammen.

Eine Powerfrau für Württemberg-Baden – Anna Haag und die Hausfrauenarbeit

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24. November 1946 | Die Hausfrauenarbeit steht in schlechtem Ruf. Die Männer wollen sie noch immer nicht machen (schließlich handelt es sich ja um „Frauenarbeit“), und auch die Frauen, die sie auch dann noch machen müssen, wenn sie selbst schon längst erwerbstätig sind, zeigen sich auch zunehmend weniger begeistert von ihr. Das war einmal anders. Früher, als natürlich alles besser war, hatte sie zumindest eine mächtige Fürsprecherin: die SPD-Politikerin Anna Haag.

Für die am 10. Juli 1888 in Althütte im Welzheimer Wald geborene Haag begann die politische Mitverantwortung der Frauen nirgendwo anders als Zuhause: In der Hausfrauenarbeit gehe es „um nichts Geringeres (…) als um die Gestaltung unseres irdischen Lebens, um Wohnen und Essen, um Arbeit und Lohn, um Schule und Erziehung, um Frau und Beruf, (…) um Krieg und Frieden“ (zitiert nach Annette Kuhn, Frauen in der deutschen Nachkriegszeit, Bd. 2, Düsseldorf 1986, S. 158). Für Haag war es eine zentrale Lehre aus der NS-Zeit, dass die patriarchale Ehe und Familie dringend verändert werden mussten, um obrigkeitsstaatliche Verhaltensmuster endgültig zu durchbrechen.

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Haag selbst verwirklichte dafür einen Meilenstein. Als Mitglied der Verfassungsgebenden Versammlung für das in der amerikanischen Besatzungszone neu entstandene Land Württemberg-Baden sorgte sie maßgeblich für Artikel 16: „Die der Familie gewidmete häusliche Arbeit der Frau wird der Berufsarbeit gleich geachtet.“ Und auch der darauf folgende Satz hatte es in sich: „An dem während der Ehe erworbenen Vermögen soll der Frau ein güterrechtlicher Anteil zustehen.“ Damit konnte das uneingeschränkte Verfügungsrecht des Mannes über das Ehevermögen abgeschafft werden. Haag setzte sich entsprechend vehement für die Annahme der Verfassung in der am 24. November 1946 durchgeführten Volksabstimmung ein. Bei einer Wahlbeteiligung von knapp 72 Prozent stimmten 69 % dafür, 10 % lehnten ab und 21 % konnten keinen gültigen Stimmzettel abgeben – auch Demokratie musste erst einmal gelernt werden.


Zum Weiterlesen und -forschen:

  •  Anna Haag: Leben und gelebt werden. Erinnerungen und Betrachtungen, Tübingen 2003 [Autobiografie].
  • LpB: Lebensgeschichte.

/// Volksabstimmungen und ihre hohen Hürden sind morgen unser Thema!

Was steht drin? – das Quiz zur Verfassung von Baden-Württemberg

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19. November 1953 | Wer kennt eigentlich die 94 Artikel der Landesverfassung von Baden-Württemberg, die am 19. November 1953 in Kraft trat? Haben Sie die schon einmal gelesen? Dann dürfte unser kleines Quiz ja kein Problem sein. Es ist ganz einfach: Welcher Artikel steht wirklich in der Landesverfassung?


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/// Am 24. November steht eine weitere Landesverfassung zur Abstimmung.

Kampf dem Preiswucher! (Teil 3) – der vergessene Generalstreik

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12. November 1948 | Es war alles ganz still. Die Straßenbahnen fuhren nicht. Die Kaufhäuser hatten geschlossen, und die meisten anderen Geschäfte waren auch zu.  Kundgebungen und Demonstrationsumzüge waren verboten, also blieben die Arbeiterinnen und Arbeiter einfach zuhause oder gingen in ihre Gärten. Die Kleingartenanlagen sollen von Weinheim bis Ulm bestens besucht gewesen sein an diesem Freitag. Der unverhofft freie Tag half, Sträucher und Beete winterfest zu machen, zumindest in der Bizone, der amerikanischen und britischen Besatzungszone. Die Gärtnerinnen und Gärtner in Südbaden, Hohenzollern und Südwürttemberg mussten noch einen Tag länger warten – die Franzosen hatten in ihrem Machtbereich jede Arbeitsniederlegung strikt untersagt.

Gewerkschaftsaufruf zum Generalstreik 1948 (Bildnachweis: Stadtarchiv Stuttgart, Bestand 9400 Nr. 915)
Gewerkschaftsaufruf zum Generalstreik 1948 (Bildnachweis: Stadtarchiv Stuttgart, Bestand 9400 Nr. 915)

„Arbeitsruhe“ war das schöne Wort der Stunde. Die Gewerkschaften scheuten den Begriff „Generalstreik“, obwohl es natürlich de facto nichts anderes war. 24 Stunden lang sollte nicht gearbeitet werden, um gegen die Preiserhöhungen und die stagnierenden Löhne zu protestieren. Eigentlich galt der Streik aber der Politik von Ludwig Erhard, dem neuen starken Mann für Wirtschaft in dem „Vereinigten Wirtschaftsgebiet“ der Bizone. Der „Sozialen Marktwirtschaft“, wie Erhards Wirtschaftspolitik später in der Bundesrepublik genannt werden sollte, wollten sie ein Modell der „Wirtschaftsdemokratie“ mit Mitbestimmung und Lenkung entgegensetzen. Aber der große Erfolg des Streiks – rund neun Millionen der insgesamt fast zwölf Millionen Beschäftigten nahmen offensichtlich teil – blieb ungenutzt: Erhard saß die Proteste einfach aus.

Der Streik wurde aber immerhin zu einem Lehrstück in Demokratie. SPD und KPD befürworteten die Aktion, während CDU und DVP erwartungsgemäß von einem „Missbrauch des Streikrechts“ (Wolfgang Haußmann) sprachen. Die amerikanische Militärregierung, die nach dem „Stuttgarter Tumult“ nervös war, lehnte den Streiktag zwar ab, erkannte aber „das Streikrecht als eines der Rechte der Freien Gewerkschaften an“ und verbot ihn ausdrücklich nicht.


/// Am 19. November folgt das nächste Kalenderblatt. Wir fordern Sie zu einem Spiel heraus: Sind Sie dabei?

Ein mutiges Nein – Hermann Person und die Landesverfassung

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11. November 1953 | Dieser Mann traute sich etwas. Als am 11. November 1953 in der Verfassunggebenden Landesversammlung von Baden-Württemberg über die neue Landesverfassung abgestimmt wurde, sagte er Nein. Er war nicht ganz allein – die vier Delegierten der KPD versagten ebenfalls ihre Zustimmung. Aber Dr. Hermann Person, Regierungsrat in Freiburg, war alles andere als ein Kommunist: Er war Mitglied der CDU.

Dr. Hermann Person
Er hatte etwas gegen fehlende Bürgerbeteiligung: Dr. Hermann Person (Bildnachweis: Haupstaatsarchiv Stuttgart, Sign. LA 3/210 Bü 278; Einfärbung: HdGBW/Hemberger)

Er habe mit Nein gestimmt, „da die Verfassung nicht dem Volk zur Abstimmung vorgelegt werden wird“, begründete Person seine Ablehnung: „Ich halte die Forderung nach einer Volksabstimmung (…) für eine elementare demokratische Forderung.“ Schließlich seien die Verfassungen der drei in den neuen Südweststaat aufgegangenen Länder Württemberg-Baden, Baden und Württemberg-Hohenzollern durch Volksabstimmungen legitimiert worden. Und dann hatte Person noch ein besonderes Beispiel parat: Obwohl die badische Verfassung von 1919 von der Karlsruher Nationalversammlung einstimmig angenommen worden war, sei sie dem Volk vorgelegt worden. Nur das Außerkraftsetzen der Verfassung durch die Gleichschaltungsgesetze in der NS-Zeit seien „der bisher einzige vom Volk nicht bestätigte Eingriff in die badische Verfassungsgeschichte seit 1919.“ Ähnlich argumentierten auch die KPD-Mitglieder, die überdies fehlende Möglichkeiten zu Volksbegehren in der Landesverfassung ankreideten.

Auch im weiteren Verlauf seiner politischen Karriere bewahrte sich Person einen eigenen Kopf. Als Freiburger Regierungspräsident setzte sich der überzeugte Südbadener ab 1967 nicht nur für die Wirtschaftsförderung und den Ausbau von Verkehrswegen ein. Er knüpfte auch sehr früh Kontakte zu den Nachbarn auf der anderen Rheinseite oder stoppte für den Umweltschutz mehrfach umstrittene Bauvorhaben. Selbst nach seiner Pensionierung forderte Person als Präsident des Schwarzwaldvereins weiterhin eine umfangreiche Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger.


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/// Alle Räder stehen still … Halt: Unser OnlineKalender bringt morgen auf jeden Fall ein neues Blatt über einen bemerkenswerten Streik.

Filderkraut statt Flughafen – die Schutzgemeinschaft Filder nimmt den Kampf auf

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31. Oktober 1967 | Der Schauspieler Louis de Funès setzte mit seinem kultigen Filmklamauk „Louis und die außerirdischen Kohlköpfe“ einer wahren Vitamin-C-Bombe ein Denkmal. Im Film waren Außerirdische von der Kohlsuppe zweier französischer Bauern dermaßen begeistert, dass sie zum Dank den beiden einen Alterswohnsitz auf einem fernen Planeten anboten, wo sie in Ruhe und Frieden leben konnten.

Nicht gewöhnlicher Kohl, sondern das edle Filderspitzkraut, und auch keine UFOs, sondern lärmende irdische Flugzeuge spielten Mitte der 1960er Jahre auf der Filderebene im Süden von Stuttgart eine Hauptrolle. Im Sommer 1967 wurde der Generalausbauplan für den Flughafen Stuttgart verkündet: Drei Landebahnen sollten bei Plieningen das Ländle an die „große weite Welt“ anbinden und interkontinentale Flugverbindungen ermöglichen. Doch wer neben dem bestehenden Flughafen wohnte, war bereits damals von Lärm und Abgasen geplagt und fürchtete eine massive Dauerbeschallung. Landwirte warnten vor einer Betonierung des fruchtbaren Filderbodens: Drohte das Ende des Filderkrautes und mit ihm der Landwirtschaft vor Ort?

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52 Aktive beschlossen in einer Versammlung in Plieningen, als „Schutzgemeinschaft gegen Großflughafen e.V“ den Kampf aufzunehmen. Bereits ein Jahr später war die Mitgliederzahl der Bürgerinitiative auf 5.000 angewachsen und ein erster Erfolg zu vermelden: Gemeinsam mit 22 Anliegerstädten und -gemeinden konnte ein Nachtstartverbot für moderne Düsenflugzeuge erstritten werden. In den Folgejahren stand die Bürgerinitiative  unter ihrer rührigen Vorsitzenden Liesel Hartenstein vor immer neuen Herausforderungen, sei es nun bei der Durchsetzung von Schallschutzmaßnahmen, der Abwehr weiterer Ausbaupläne des Flughafens und ab den 1990er Jahren beim Streit um den Neubau der Messe. Nicht immer waren die Spitzkrautfreunde erfolgreich, doch aufgeben kam nicht in Frage: 2017 feierte die Schutzgemeinschaft ihren 50. Geburtstag und ist damit die älteste existierende Umweltinitiative Deutschlands.


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/// Unser nächstes Kalenderblatt folgt am 4. November. Die Revolution nimmt Fahrt auf.

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