Kampf dem Preiswucher! (Teil 2) – der „Stuttgarter Tumult“

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28. Oktober 1948 | Was die MannheimerInnen mit ihrer Protestkundgebung am 20. Oktober 1948 erfolgreich vorgemacht hatten, wollten die Menschen in  Stuttgarter ebenfalls haben. Auch in Stuttgart hatten die kleinen SparerInnen durch die Währungsreform ihr Vermögen verloren, auch in Stuttgart waren die Preise enorm gestiegen und die Löhne niedrig geblieben, auch in Stuttgart waren Bauprojekte eingestellt worden und die Zahl der Arbeitslosen gestiegen. Die Unzufriedenheit ließ sich nicht mehr übersehen.

Vor den Ruinen des Alten Schlosses in Stuttgart regte sich der Massenprotest (Bildnachweis: Stadtarchiv Stuttgart).
Vor den Ruinen des Alten Schlosses in Stuttgart regte sich der Massenprotest (Bildnachweis: Stadtarchiv Stuttgart).

Auf dem Karlsplatz versammelten sich am 28. Oktober ab 13 Uhr rund 50.000 ArbeiterInnen. Der Stuttgarter Gewerk-schaftsvorsitzende Hans Stetter wurde deutlich: „Was wir verlangen ist eine planmäßig gelenkte Wirtschaft mit staatlich kontrollierten Preisen.“ Lohn- und Gehaltserhöhungen sollten sofort erfolgen. Auch gegenüber der amerikanischen Besatzungsmacht nahm er kein Blatt vor den Mund: „Wir fragen, wo bleibt der demokratische Gedanke, wenn die Besatzungsmacht die Außerkraftsetzung der Bestimmungen über das Mitbestimmungsrecht in wirtschaftlichen Fragen anordnet.“

Aber anders als in Mannheim blieb es in Stuttgart nicht nur bei Worten. Im unteren Teil der Königstraße ging ein Schaufenster zu Bruch, Rangeleien mit Polizisten und sogar auch mit Militärpolizisten folgten, wobei mehrere von ihnen verletzt wurden. Tränengas und Panzerwagen kamen zum Einsatz, über 30 Personen wurden festgenommen. Die amerikanische Militärregierung antwortete mit einem Versammlungsverbot und einer Ausgangssperre von 21 bis 4 Uhr. Militärgouverneur Lucius D. Clay stellte Stetter persönlich scharf zur Rede. Für diesen war danach klar, dass Clay „für die sozialen Nöte der Arbeiterschaft und des deutschen Volkes nichts übrig“ habe.


Zum Weiterlesen und -forschen:

  • Roland Müller: Der „Stuttgarter Tumult“ vom 28. Oktober 1948 – Protest im Spannungsfeld von Währungsreform und Kaltem Krieg, in: Wege in ein neues Leben: Die Nachkriegszeit, Stuttgarter Symposion 2015. Herausgegeben vom Haus der Geschichte Baden-Württemberg in Verbindung mit der Stadt Stuttgart, Ubstadt-Weiher 2017, S. 121-147.

/// Preiswucher: Ein Thema, das sicherlich auch eine herausragende Mannheimer Nationalökonomin interessiert hätte. Wer es war lesen Sie morgen.

Hand in Hand zum Frieden – die Rekord-Menschenkette der Friedensbewegung

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22. Oktober 1983 | Im Atomzeitalter schien selbst Gevatter Tod seine alte Sense zur Seite gelegt zu haben und auf Atomwaffen umgestiegen zu sein. Anfang der 1980er Jahre war der Rüstungswettlauf zwischen den NATO-Staaten im Westen und den Staaten des Warschauer Vertrages im Osten auf einem neuen Höhepunkt angelangt. Atomwaffen befanden sich bereits seit Längerem auch auf dem Gebiet der Bundesrepublik und der DDR. Aber jetzt sollten es noch mehr werden. Die Sowjetunion erneuerte ihre veralteten atomaren Mittelstreckenraketen durch die SS-20, die NATO sah darin eine zusätzliche Bedrohung und wollte mit den Waffensystemen Pershing II und Cruise Missiles nachziehen. Die Friedensbewegung in Westdeutschland blühte auf: Kirchen, Gewerkschaften, Ökogruppen, Jung und Alt fanden sich zu einer bunten Truppe zusammen, um ein Zeichen gegen die Nachrüstung zu setzen.

Des Volkes Stimme | Hand in Hand zum Frieden – die Rekord-Menschenkette der Friedensbewegung

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Im Oktober 1983 schwappte eine regelrechte Protestwelle durch den Südwesten. So verschrotteten beispielsweise über 600 Frauen in Freiburg symbolisch Raketenmodelle aus Pappmaché. Mehr als 1000 Personen, zumeist Jugendliche, besetzten in einem „Akt der aktiven Gewaltlosigkeit“ die Werkstore von „Litef“, einem Zulieferer für die großen Rüstungsbetriebe. Freiburger Schülerinnen und Schüler lösten große Diskussionen mit ihren Aufrufen in der Schulzeitung aus, für die Friedensproteste einfach mal zu schwänzen.

Höhepunkt der Demonstrationen war unzweifelhaft die Menschenkette  entlang der Bundestraße B10 zwischen Stuttgart und Neu-Ulm. Zwischen 200.000 und 400.000 Friedensbewegte standen Hand in Hand, sangen Lieder, zeigten Protestplakate. Kreativ, bunt und entschlossen war das Happening. Von überall her kamen sie. Auch 6.300 Menschen aus Südbaden reihten sich bei Plochingen ein, so friedlich, dass selbst ein mürrischer Wirt am Bahnhof nur halbherzig lästern konnte: „An Vogel habet se alle. Aber anständig waret se doch.“ (Badische Zeitung, 24. Oktober 1983).

Die Raketen kamen trotzdem.


Zum Weiterlesen und -forschen:

  • Sabrina Müller: Volksversammlung als symbol und Appell: Die Menschenkette von Stuttgart nach Neu-Ulm am 22. Oktober 1983, in: Reinhold Weber (Hg.): Aufbruch, Protest und Provokation. Die bewegten 70er- und 80er-Jahre in Baden-Württemberg, Darmstadt 2013, S. 119-140.
  • Der Bildkorrespondent Udo Leuschner hielt die Menschenkette in Fotos fest.

/// Am 24. Oktober erscheint ein neues Kalenderblatt. Die Zeichen stehen auf Sturm!

Kampf dem Preiswucher! (Teil 1) – eine Protestkundgebung in Mannheim

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20. Oktober 1948 | Es war einmal eine neue Währung. Über Nacht füllten sich die Geschäfte, und am nächsten Morgen staunten die Menschen über all die schönen Dinge, die ihnen solange gefehlt hatten. Da begannen sie sofort, alles zu kaufen. Sie kauften immer weiter – und auf einmal war das Wunder geschehen. Alle Menschen hatten Arbeit und dem Land ging es wieder gut.

 

So oder so ähnlich kennen wir alle die sagenhafte Erfolgsgeschichte von der Währungsreform, mit der am 20. Juni 1948 die alte Reichsmark durch die neue DM abgelöst wurde. Aber genau vier Monate nach der Einführung des neuen Geldes war es den Menschen in Mannheim noch nicht zum Feiern zu Mute. Rund 60.000 Arbeiterinnen und Arbeiter versammelten sich ab 8 Uhr morgens auf dem Marktplatz.

Sie gehörten erst einmal zu den Verlierern der Reform, die schönen Waren in den Schaufenstern blieben für sie unerreichbar, da viel zu teuer. Die Preise stiegen rasant, während die Löhne eingefroren blieben. „Kampf dem Preiswucher!“, „Wir fordern Mitbestimmung!“ oder „Weltmarktpreise – Weltmarktlöhne!“, lauteten entsprechend die Parolen. Karl Schweizer, der Vorsitzende der Mannheimer Gewerkschaften, verlangte eine Überwachung der Preise und kündigte ein Ende der Zurückhaltung bei den Lohnverhandlungen an.

Merke, die meisten Wunder sind nicht für alle immer wunderbar und manchmal brauchen sie eben doch ein bisschen länger.


/// Morgen besuchen wir einen weiteren Protestschauplatz. Bleiben Sie neugierig!

„Neue Heimat“ – eine Siedlung für Heimatvertriebene in Hettingen

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17. Oktober 1948 | Wohin nur mit all den Vertriebenen und Geflüchteten?

Wohin mit den Millionen Menschen, die nach dem Krieg ihre Heimat verloren hatten?

Wohin allein mit den rund 19.000 Deutschen aus Mähren, Böhmen oder der Slowakei, die 1946 der Landkreis Buchen (der selbst gerade einmal 50.000 Einwohner zählte) aufnehmen sollte?

Einquartierungen, Notunterkünfte, Scheunen – das alles konnte auch im 1.500 Seelen großen Hettingen bei Buchen nur eine kurzfristige Antwort sein. Es musste gebaut werden. Kurzerhand packte der katholische Ortspfarrer Heinrich Magnani die Sache selber an. Ende 1945 gründete er die „Notgemeinschaft Hettingen“ und tauschte Kirchengrundstücke gegen Ackerland, um eine neue Siedlung bauen zu können. Aber kein Bauen ohne Architekt. Und Magnani hatte Glück. Der aus Berlin nach Buchen (wo sein Vater herstammte) geflohene großartige Egon Eiermann brannte darauf, das Projekt zu verwirklichen. Mit umfassenden Eigenleistungen und der tatkräftigen Mithilfe vieler ehrenamtlicher Freiwilliger entstanden 22 Wohneinheiten, die sich sehen lassen konnten: einfach, aber modern, für die Zukunft gebaut.

Was am 17. Oktober 1948 feierlich eingeweiht wurde, lässt sich in der Adolf-Kolping-Straße 29 in Hettingen heute wieder besichtigen. Die Wüstenrot Stiftung finanzierte im Rahmen ihres Denkmalprogramms die Instandsetzung eines Hauses und die Einrichtung einer Dauerausstellung über die Siedlung, das Haus der Geschichte Baden-Württemberg konzipierte und realisierte zusammen mit den Architektinnen von büroberlin die Ausstellung.


Zum Weiterlesen und -forschen:

/// Das nächste Kalenderblatt folgt am 19. Oktober. Ein echter Wahlkrimi erwartet Sie!

Pinkelpausen am Fließband – ArbeiterInnen erstreiken die „Steinkühlerpause“

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16. Oktober 1973 | „Fließbandbaby, manchmal träum‘ ich, von der Fabrik, in der du arbeiten musst!“ Den Traum, den die Kölner Politrockband Floh de Cologne in einem ihrer Stücke besang, war auch für die Gewerkschaften ein echter Albtraum. Immer schneller lief das Band, immer mehr musste in immer kürzerer Zeit fertigwerden, und selbst beim Gang zur Toilette gängelte die Stoppuhr. Die Unzufriedenheit wuchs unter den Arbeiterinnen und Arbeitern und entlud sich nicht zuletzt im Jahr 1973 in spontanen „Wilden Streiks“. Die Verhandlungen der IG-Metall mit dem Metallarbeitgeberverband zog sich seit 1970 dahin. Forderungen der Gewerkschaft nach einer „Humanisierung der Fabrikarbeit“ lehnte die Unternehmerseite strikt ab: „Hirngespinste!“, so der Vorwurf.

Des Volkes Stimme | Pinkelpausen am Fließband – mehr Humanität am Arbeitsplatz

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1972 übernahm Franz Steinkühler als „junger Wilder“ den Vorsitz des IG-Metallbezirks Stuttgart vom Gewerkschafts-Urgestein Willi Bleicher – und schaltete in der Automobilstadt in den Turbo. Am Morgen des 16. Oktobers ging in den großen Werken der Automobilindustrie nichts mehr. 89 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder hatten sich für Schwerpunktstreiks ausgesprochen, an denen sich bis zu 57.000 Menschen beteiligten. Vier Tage später war der „Lohnrahmentarifvertrag II“ unter Dach und Fach. Darin festgelegt waren höhere Löhne sowie die allgemeine Verbesserung der Arbeitsbedingungen am Fließband. Als Dreingabe gab es für Akkordbeschäftigte fünf Minuten Pause (die berühmte „Steinkühlerpause“) und drei Minuten für den Gang zum stillen Örtchen pro Stunde extra.

Steinkühler jubelte: „Wenn in Zukunft jemand Sonntagsreden über die Qualität des Lebens hält, können wir ihm zeigen, wie man sie erkämpfen kann. In jeder Stunde hat jetzt der Arbeiter Zeit für sich! Es gibt keine entwürdigenden Stoppuhren mehr, wenn er auf’s Örtchen geht!“ (IGM-Streiknachrichten, 23. Oktober 1973)

Des Volkes Stimme | Pinkelpausen am Fließband – Streik für die „Steinkühlerpause“

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Zum Weiterlesen und -forschen:

/// HäuslebauerInnen kommen morgen auf ihre Kosten. Wir öffnen Ihnen ein Fenster.

Erst stirbt der Wald, dann du? – Aktionswoche gegen das Waldsterben

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02. Oktober 1983 | Er war sauer, sogar richtig ätzend. Die Rede ist vom Regen, der in den 1970er und 80er Jahren nicht zuletzt zwischen Freudenstadt und Freiburg auf den vielgerühmten und besungenen Schwarzwald niederging. „Rauchfahnen aus Kaminen wehn – Von Lörrach bis nach Zell!“: Was in einer Version des Badnerlieds noch stolz besungen wurde, rückte immer stärker in den Fokus der Kritik. Schwefeldioxid aus den Schornsteinen von Industrie und Wohnhäusern war mit der Grund, dass der Touristenmagnet, Erholungs- und Lebensraum schon bald „aus dem letzten Loch pfiff.“

Des Volkes Stimme | Erst stirbt der Wald, dann du? – Aktionswoche gegen das Waldsterben

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Diesen Zustand wollten Umweltverbände wie die „Freudenstädter Aktionseinheit“ nicht hinnehmen und riefen zur Aktionskonferenz gegen das Waldsterben nach Freudenstadt. Mit einer ungewöhnlichen Idee bewegten UmweltschützerInnen zahlreiche Bundestagsabgeordnete, die Schäden vor Ort in Augenschein zu nehmen.

Die Bilanz der anschließenden Veränderungen ist durchwachsen: Luftverschmutzungsnormen wurden verschärft und ein jährlicher Waldschadensbericht dokumentierte fortan, wie es um Fichte, Tanne und Co steht. Doch schon die nächste Bedrohung bereitet heute Kopfzerbrechen: der Klimawandel.


Zum Weiterlesen und -forschen:

  • Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt BW: Die Waldzustandsberichte seit 2002 online.
  • Nobert F. Pötzl: „Nadeln fallen grad so raus“, in: DER SPIEGEL Jg. 1984), H. 51 , S. 36-56 [Digitalisat].
  • Stadtarchiv Freudenstadt: Signatur: N 2.10 Aktionseinheit gegen das Waldsterben.
  • Generallandesarchiv Karlsruhe: Signatur: 392 Freudenstadt Nr. 146.

|||  Am 04. Oktober erscheint der nächste Eintrag: Dr. K. aus K. wird Bürger.

Freier Platz oder Moderne? – das Bürgerbegehren zum Bau des Stadthauses Ulm

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20. September 1987 | Über Geschmack wollten sich die Ulmerinnen und Ulmer gerne streiten, als im Jahre 1986 der endgültige Entwurf für ein Stadthaus auf dem weitläufigen Münsterplatz feststand. Direkt neben dem höchsten Kirchturm der Welt sollte ein moderner Bau, ganz in Weiß gehalten, Raum für Kunst, Kultur und Begegnung bieten. Ulms Öffentlichkeit war gespalten: Zwischen Lob und „Des braucha mir ned!“ schwankten die Meinungen über Richard Meiers Entwurf.

Dies zeigt, wie schwer es die Gegenwartsarchitektur in der Traditionsstadt doch hatte, allen weltgewandten Impulsen der bis 1968 hier ansässigen Hochschule für Gestaltung (HfG), dem Nachfolger der Bauhausschule, zum Trotz. Doch als es um die „Gute Stube“ Ulm ging, durfte die Meinung der Einwohnerschaft keinesfalls ungehört bleiben. Der vom Verein „Alt-Ulm“ eingeforderte Bürgerentscheid verfehlte allerdings das notwendige Quorum und im Jahre 1993 öffnete das Stadthaus seine Pforten.

Des Volkes Stimme | Bürgerbegehren Ulmer Münsterplatz 1987

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Zum Weiterlesen und -forschen:

  • Anja Göbel/u.a.: Stadthaus Ulm, 2. Auflage, Ulm 2005.
  • Stadthaus Ulm: Homepage.

||| Lust auf mehr? Der nächste Eintrag erscheint schon morgen.

Einer für alle, alle für einen! Der Gewerkschaftsbund Württemberg-Baden wird gegründet

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1. September 1946 | Eine Waffenschmiede zum Nutzen der arbeitenden Bevölkerung und zum Wohle der Allgemeinheit solle er werden, dieser erste Bundestag des Gewerkschaftsbundes Württemberg-Baden (GWB) in den Räumen der Salamander-Schuhfabrik in Kornwestheim. Mit diesen eröffnenden Worten brachte Markus Schleicher, erster Präsident des GWB, die Hoffnungen der 163 anwesenden Delegierten auf den Punkt: Nach den Schrecken der NS-Zeit, in der zahlreiche Gewerkschaftsmitglieder als KZ-Häftlinge den Tod fanden, sollten nun wieder freie, demokratische Gewerkschaften die Interessen ihrer Mitglieder (damaliger Stand in Württemberg-Baden: ca. 260.000 Personen) vertreten. Und dies nicht nur bei Lohn- und Arbeitsfragen, sondern in allen sozialen und kulturellen Streitfragen. Selbstverständlich auf Augenhöhe mit dem Unternehmertum und den politischen VertreterInnen.

 

Ziel war eine sichere Zukunft ohne Rückwärtsgang: Das Aufkeimen eines neuen Faschismus sollte unmöglich werden: „Die Gewerkschaften kämpfen für die Überwindung der kapitalistischen Wirtschaft. Ihr Endziel ist eine sozialistische Wirtschaft.“ Planwirtschaftliche Konzepte sollten Krisen, wie sie mit zum Aufstieg der NSDAP führten, verhindern helfen. An den realen Besitzverhältnissen änderte sich den vielsagenden Absichtserklärungen zum Trotz jedoch nur wenig. Größere und kleinere Streiks, Basisarbeit in den Betrieben und Mitgliederberatungen bestimmten fortan den steinigen Alltag der Gewerkschaften im Südwesten.

Am 1. September 1946 schloss der Kongress mit der Wahl Markus Schleichers zum ersten Präsidenten des GWB. Ein Jahr vor seinem Tode wurde er im Jahr 1950 an die Spitze dessen Nachfolgers, des DGB-Landesverbands Württemberg-Baden, gewählt.

Wir danken dem Archiv der sozialen Demokratie sowie der Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung (Bonn) für die Bereitstellung des Quellenmaterials.


Zum Weiterlesen und -forschen:

  • Christian Seifert: Entstehung und Entwicklung des Gewerkschaftsbundes Württemberg-Baden bis zur Gründung des DGB, 1945 bis 1949, Marburg 1980.

Der Gang nach Karlsruhe – der Protestmarsch der Boxberger zum Bundesverfassungsgericht

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29. August 1985 | Wer sich ungerecht behandelt fühlt, zieht letztlich vor das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Das nahmen die Boxberger Bäuerinnen und Bauern wörtlich und machten sich zu Fuß auf den 130 Kilometer langen Weg. Dass sie ihr fruchtbares Ackerland im Main-Tauber-Kreis für eine Teststrecke von Daimler-Benz hergeben sollten, wollte ihnen nicht in den Kopf. Wie ihre Vorfahren von der Bundschuh-Bewegung kämpften sie für ihr Recht – doch statt auf Sensen setzten sie auf eine durch viele Spenden ermöglichte Klageschrift. Die rund 200 TeilnehmerInnen konnten diese am 2. September 1985 dem Gericht übergeben. Fast zwei Jahre später untersagte das Verfassungsgericht die geplante Enteignung der Bauern.

Des Volkes Stimme | Der Protestmarsch der Boxberger zum Bundesverfassungsgericht 1985

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Zum Weiterlesen und -forschen:

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